Zwei Monate psychosomatische Tagesklinik - Teil 1 - Fashion Kitchen
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Zwei Monate psychosomatische Tagesklinik – Teil 1 oder besser gesagt – 42 Tage, war ich in ambulantere Behandlung, wegen meiner schweren Depression, Burnout, Angst- und Panikattacken. Mittlerweile bin ich auf dem Weg der Besserung, aber noch lange nicht da, wo ich gerne sein möchte.

Es dauert seine Zeit. Und man kann nur Schritt für Schritt an sich Arbeiten. Ich rede nicht lange um den heißen Brei und steige direkt ein. Es ist unglaublich harte Arbeit, an sich selbst zu arbeiten und ich war jeden Tag komplett erschöpft, als ich am Abend nach Hause gekommen bin. Manchmal dachte ich mir, so ein Tag Gartenarbeit ist nicht so anstrengend, wie hier. Sich mit sich selbst zu beschäftigen und jedes einzelne Detail auseinander zu nehmen und zu analysieren, kostet unglaublich viel Kraft, Nerven und Tränen.

Ich hatte Tage dabei, da habe ich nur geweint und es ging mir richtig schlecht. Aber ich hatte auch Tage, wo ich gelacht habe und mir dachte „Jetzt heilst du endlich!“. Ich hatte einige Rückschläge, vor allem der schlimme Unfall meines Freundes hat mich total aus der Bahn geworfen. Und wenn ich da nicht die Unterstützung und Hilfe aus der Tagesklinik gehabt hätte, dann weiß ich nicht, was jetzt mit mir wäre.

Zwei Monate psychosomatische Tagesklinik – Teil 1

Denn zu dem Zeitpunkt war ich schon auf einem relativ guten Weg, aber das Ereignis hat alles komplett verändert. Trotzdem war ich stark und habe die Situation relativ gut gemeistert. So haben es mir zumindest die Therapeuten widergespiegelt. Ich musste einfach stark sein und das war ich. Ich wollte stark sein. Aber ich habe auch gemerkt, wie gut es mir tut, den Halt und die Hilfe der Klinik und Therapeuten zu haben. War unglaublich wichtig. Auch um alles weiter zu verarbeiten und gestärkt aus der Situation heraus zu kommen.

Für mich hat dieses Jahr alles andere als gut angefangen. Ich habe es mir zwar eingeredet, aber schon im Januar musste ich eine Pause einlegen, ich wollte eine Pause einlegen. Aber da habe ich schon gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt.

Ich habe mir im Winter 2021 schon psychologische Hilfe gesucht, um die Traumata der letzten Jahre aufzuarbeiten und einfach mal alles abzuschließen. Quasi frisch und ohne Altlasten in ein „neues Leben“ zu starten. Leider habe ich aber die Büchse der Pandora geöffnet. Das wurde mir nach der 3 – 4 Sitzung bei meiner Psychologin bewusst. Und auch meine Therapeutin hat das gemerkt. Ich habe unglaublich viel geweint, habe extrem an Gewicht verloren, kaum geschlafen, nicht mehr zur Ruhe gefunden, Panik und Angstzustände waren an der Tagesordnung und ich war zu nichts mehr zu gebrauchen und bin in ein tiefes Loch gefallen. In ein sehr tiefes Loch…

Ich weiß noch, als ich Tränen überströmt bei meinen Eltern vor der Tür stand, meine Mama mich in den Arm nahm und ich zu Ihr sagte „ich glaube, ich habe wieder eine Depression…“. Sie sah mich mit Tränen in den Augen an und nickte nur…

„ich glaube, ich habe wieder eine Depression…“

Zwei Monate psychosomatische Tagesklinik - Teil 1

Ich konnte einfach nichts mehr. Zweitweise nicht mal mehr die Zähne putzen. Warum auch? Warum muss man Zähne putzen, wenn man eh den ganzen Tag im Bett oder am Sofa liegt? Waschen, duschen, baden? Braucht kein Mensch. Appetit? Nein, kochen oder was zu essen machen konnte ich nicht und wollte ich auch nicht. Ich wollte einfach nur, dass das alles endlich aufhört.

Meine Eltern haben mich zu sich geholt, wir haben jeden Tag zusammen zu Mittag und Abend gegessen und das war für mich jedes Mal ein Kampf. Ich war weinend über dem Teller gehockt und konnte einfach nichts essen. Und wenn ich gegessen habe, musste ich mich unglaublich konzentrieren, konnte nicht sprechen und habe einfach alles in mich rein geschaufelt und bin sofort danach vom Tisch aufgestanden. Essen hat mich angeekelt und ich kann nicht erklären warum. Wir sind spazieren gegangen, jeden Tag – bei Wind und Wetter, haben TV geschaut – einfach zur Berieselung (Romance TV – Tierärztin Dr. Mertens kann ich sehr empfehlen!), es war mir ganz egal was lief. Hauptsache ich musste nicht nachdenken.

Ich habe auch versucht zu schlafen und mich auszuruhen, aber es ging nicht. Ich fühlte mich die ganze Zeit, als würde ich auf einer Rüttelplatte sitzen. Auch gezittert habe ich, einfach so. Denn ich habe/hatte einen Tremor. Gedanken in Endlosschleife. Es war und ist die Hölle.

Vor 10 Jahren hatte ich schon einmal eine Depression. Allerdings bei weitem nicht so schlimm wie jetzt. Aber schon damals habe ich mich dazu entschlossen Medikamente zu nehmen und in eine stationäre Klinik zu gehen. Danach war ich ein neuer Mensch. Ich dachte, so eine schlimme Zeit würde ich nie mehr durchmachen müssen und ich weiß die Signale meines Körpers zu deuten, aber falsch gedacht.

Ich habe so viele Jahre, so viele Dinge, Probleme, Schicksalsschläge, Traumata, usw. herunter geschluckt, verdrängt, bei Seite geschoben und immer weiter gemacht. Dann wollte ich es selbst angehen und endlich heilen und dann ist mir das alles in der Hand explodiert! Weil ich einfach zu lange gewartet habe. Dieser fatale Fehler wird mir nie mehr unterlaufen. Ich habe in den letzten Monaten in der Tagesklinik und auch bei meiner Psychologin unglaublich viel gelernt. Mir ist sehr viel klar geworden, ich hatte wahnsinnig hilfreiche Schlüsselmomente, wo es richtig klick gemacht hat. Ich war danach teilweise wie vom Blitz getroffen, weil ich die Erkenntnis bzw. Veränderung erst mal selbst realisieren und verarbeiten musste.

Ohne die Therapie, meine Familie, meinen Freund und ein paar liebe Menschen da draußen, wäre ich wohl nicht mehr hier. Die alte Ann-Christin gibt es nicht mehr. Ich hab sie los gelassen und bin auf dem Weg zu einer neuen und besseren Ann-Christin.

Die alte Ann-Christin gibt es nicht mehr

Zwei Monate psychosomatische Tagesklinik - Teil 1

Als es mir so unglaublich schlecht ging und ich die erste richtig krasse Panikattacke hatte, wo sogar der Notarzt kommen musste, wusste ich – jetzt ist der Zeitpunkt gekommen. Ich dachte ich muss sterben (alle die schon einmal eine Panikattacke hatten, wissen wovon ich spreche. Mittlerweile weiß ich, dass ich nicht sterben werde und kann besser damit umgehen, aber zu diesem Zeitpunkt war das anders.) und ich wollte nicht sterben. Die Notärzte mussten dreimal versuchen meine Vitalwerte zu messen, weil ich so einen Zitter- und Krampfanfall hatte. Ich habe hyperventiliert und keine Luft bekommen. Nach über 45 Minuten kam ich endlich zur Ruhe und zwar mit einer Tablette. Danach schlief ich knapp 17 Stunden. Ohne Träumen, ohne Anspannung, ohne Angst. Dann ließ die Wirkung der Tablette nach und diese ganzen schlimmen Gefühle kamen wieder zurück.

Ich fragte meine Mama, ob ich nicht nochmal so eine Tablette haben könnte, aber sie verneinte – „Nur im Notfall!“. Aber ich wollte einfach alles abschalten und schlafen. Endlich wieder zur Ruhe kommen und ganz normal sein.

Am nächsten Tag hatte ich einen Termin beim Oberarzt der psychosomatischen Tagesklinik, ich war nur noch ein Häufchen Elend und das sah man mir aus Kilometern an. Ich stand komplett neben mir. Eigentlich war ich nur noch eine Hülle. Der Oberarzt sprach mit mir und ich konnte mich kaum konzentrieren und dem Gespräch folgen. Er fragte mich, ob ich schon einmal Antidepressiva und Beruhigungsmittel genommen hatte. Und ja, das hatte ich. Zumindest Antidepressiva, sogar über mehrere Jahre.

Ich wusste, ich muss jetzt wieder Medikamente nehmen, ansonsten zerbreche ich. Mein Stresspegel war auf dem absoluten Gipfel angelangt. Deswegen bekam ich bei der kleinsten Kleinigkeit eine Panikattacke. Mein Körper stand seit Jahren unter Stress und jetzt war der Zenit erreicht. Ich bekam also Antidepressiva und Beruhigungsmittel verschrieben. Die Beruhigungsmittel wirkten schnell. Bei Antidepressiva setzt die Wirkung erst nach mehreren Wochen ein, weil man einen gewissen Spiegel braucht.

Auch wurde ich auf die Liste für einen Platz in der Tagesklinik gesetzt, bis dahin hatte ich weitere Sitzungen beim Sozialen Dienst, der Psychologin, beim Autogenen Training, usw. und das war nötig. Sofort hätte ich nicht in die Klink gekonnt. Ich hätte es niemals geschafft für 8 Stunden irgendwo zu sein oder irgendetwas zu machen. Es fiel mir ja schon schwer, einem Gespräch zu folgen.

Nachdem ich aus dem Arztzimmer kam, war ich erleichtert. Ich wurde ernst genommen und meine Ängste, Probleme und Sorgen endlich behandelt. Der Arzt hat mir unglaublich viel Vertrauen geschenkt und ich fühlte mich besser. Endlich, ein kleiner Lichtblick!

Fortsetzung folgt…

Comments:

  • Bine

    10. Juli 2022

    So stark, wie du darüber schreibst! Ich wünsche dir nur das Allerbeste! Du machst das toll!

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  • Laura

    10. Juli 2022

    Du bist so stark, Ann-Kathrin. So so stark ♥️

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  • Annika

    11. Juli 2022

    Liebe Ann Christin,
    beim lesen deines Beitrages kamen mir die Tränen. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie kraftlos und hilflos sich ein Mensch fühlen kann.
    Ich wünsche dir die Kraft, das du bald wieder die Ann Christin sein kannst, die du sein willst. Deine Familie und deine Freunde werden dir sicher auch weiterhin den Rücken stärken und dir Kraft geben.
    Fühl dich unbekannter Weise ganz doll gedrückt und ich freue mich bald wieder von dir lesen zu können.
    Lieben Gruß
    Annika

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  • Patrick

    11. Juli 2022

    Hi.
    Wahnsinn! Habe sowas ähnliches auch durchgemacht. Aber war nie in Therapie (bin männlich.. Naja…). Du bist wirklich stark und ich überlege, auch eine Therapie zu machen, obwohl ich seit 8 Monaten nichts mehr hatte.
    Wann kommt die Fortsetzung?
    Und: hast du mal überlegt die Therapie, also die Methoden die dir helfen, detailliert aufzuschreiben? Vielleicht in einem Buch?
    Gruß
    Patrick

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  • n.

    21. Juli 2022

    Oh man, quasi eins zu eins meine Geschichte. Meine zweite Depression mit allen Symptomen die du beschreibst hatte ich im Dezember 2019. Das durchzumachen ist das heftigste und ich wünsche es niemandem. Ich wollte mich einfach zuballern mit Beruhigungsmitteln und nichts denken. Aber meine Kids brauchten mich, auch wenn ich zu dem Zeitpunkt eine miserable Mutter war. Meine Leistung damals war, einfach nur jeden einzelnen Tag zu überleben. Und darüber bin ich stolz, den alleine das verlangte mir alles ab. Man kann nur froh über Menschen im Umfeld sein, die einen so ertragen und trotzdem lieben. Momentan gehts mir gut und dafür bin ich einfach nur dankbar.

    Dir viel Kraft und Mut weiterhin.

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